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2014: Durch PROMOS geförderter Auslandsaufenthalt in Kigali, Ruanda

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Text und Fotos von Sarah Berberich
Umweltnaturwissenschaften und Umwelthydrologie (B.Sc.) im 7. Semester

Ich hatte das große Glück, ein
PROMOS-Stipendium für meinen geplanten Forschungsaufenthalt zu erhalten. Zweieinhalb Monate habe ich in Kigali, Ruanda, bei der Rwanda Natural Resources Authority (RNRA) im Department "Integrated Water Resources Management“ gearbeitet und wertvolle Daten und Eindrücke sammeln können. Dabei habe ich mich in einem Stadtteil Kigalis, der Hauptstadt Ruandas, mit dem Thema "Rainwater Harvesting For Flood Mitigation“ ("Rückhalt von Niederschlägen zur Verringerung von Hochwasser“) beschäftigt.


Die RNRA ist dem Ministerium für natürliche Ressourcen als ausführendes Organ zugeordnet, und der Bereich Wasser ist diesem unterstellt. Insgesamt ist die Beschäftigung mit dem Thema Integriertes Wasserressourcenmanagement sehr neu und das kleine Team aus circa 30 Mitarbeitern ist in vielen Fragen noch mit der Grundlagenforschung beschäftigt. Wenige Schwerpunkte werden kontinuierlich verfolgt, ein Großteil der Arbeit folgt als Reaktion auf Probleme. So auch das Thema Flutbekämpfung in dem Stadtteil Mpazi in Kigali. Im letzten Jahr haben sich Überflutungen als ein zentrales Problem herausgestellt, aber die Zuständigkeitsfrage ist noch nicht endgültig geklärt. Ist es das Katastrophenministerium, die Umweltbehörde, die Stadtverwaltung oder eben doch die Wasserabteilung der RNRA; diese unklaren Verantwortlichkeiten haben gerade am Anfang die Arbeit erschwert. Gleichzeitig hat es mir die Chance geboten, Einblicke in Politikentscheidungen zu bekommen, zu denen man so in Deutschland nur schwer Zugang hat. Zentrale Aufgabe des Departments ist die Bekämpfung von wasserbezogenen Risiken, wie beispielsweise Überflutungen oder Dürren, und deren Auswirkungen auf Wirtschaft und Gesellschaft, aber auch den Schutz und Erhalt von Wasserressourcen, Wasserverteilung, und die Schaffung eines politischen Rahmens für nachhaltiges Ressourcenmangement. So habe ich neben meinem eigentlichen Forschungsbereich Einblicke in Themen wie Bewässerung, Wasseraufbereitung, Trinkwasserversorgung und Fließgewässermonitoring bekommen konnte.


Der Reiz des Landes Ruanda liegt zum einen in seiner atemberaubenden Natur mit Vulkanen, Regenwald und unzähligen Bergen und Hügeln; auf ihr "Land der tausend Hügel“ sind die Ruander sichtlich stolz. Gleichzeitig haben mir die Menschen dort unglaublich viel Gastfreundschaft entgegen gebracht und ich habe in drei Monaten zahlreiche neue Freunde getroffen. Aber auch gesellschaftlich und politisch ist Ruanda höchst interessant. Ins öffentliche Bewusstsein gelangt vor allem durch den Genozid von 1994, hat dieses Land in 20 Jahren eine beachtliche Entwicklung durchgemacht und versucht mit allen Mitteln die Katastrophe von damals zu überwinden. Das sieht man an ehrgeizigen Zukunftsplänen wie der Vision 2020, vorbildlicher Umweltpolitik mit radikalem Verbot von Plastiktüten im ganzen Land, aber auch etwas seltsamen Gesetzen. So ist es beispielsweise verboten barfuß zu laufen oder runde Häuser zu bauen, das würde ein Armutsbild erzeugen und an frühere, "unentwickeltere" Zeiten erinnern. Und in den zahlreichen Wellblechdach-Stadtteilen herrscht die Regel, dass rostende Dächer sofort rot angestrichen werden müssen. Rost ist im fortschrittlichen Ruanda nicht akzeptabel.


In genau so einem Stadtteil lag auch mein Forschungsgebiet, das Mpazi-Gebiet, das mit ca. 8km², ein hydrologisch sehr kleines Einzugsgebiet ausmacht. In diesem Gebiet mit teilweise fast flächendeckender „high-density“ Besiedlung und Niederschlagsereignissen von bis zu 70mm/ Stunde, akkumulieren sich in kürzester Zeit enorme Wassermassen, in denen schon Autos fortgerissen und Menschen gestorben sind. Ein Tag bei der RNRA konnte also vollkommen unterschiedlich aussehen. Zum Teil habe ich mit Kollegen den gesamten Tag „im Feld“, also draußen im Untersuchungsgebiet verbracht um Fließgeschwindigkeiten im Abflusskanal zu messen, die Bewohner mithilfe von Fragebögen zu ihrer persönlichen (Trink-)Wasser und Überflutungssituation befragt oder an einem Workshop zum Einsatz von akkustischen Strömungsmessern teilgenommen. An anderen Tagen war ich von morgens bis nachmittags im Büro und saß an der Bearbeitung von Luftbildern und Kartenmaterial oder habe z.B. Niederschlagsdaten des örtlichen Klimainstituts ausgewertet.

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Gewohnt habe ich nur 15 Minuten vom Büro der RNRA entfernt im Stadtteil Kajiru. Der Weg in und aus der Arbeit war also entweder eine sehr kurze Fahrt im "Citybus“ oder zu Fuß. Um den Punkt Wohnen habe ich mich erst vor Ort gekümmert und zu Beginn in einem der zahlreichen Gasthäusern gelebt. Mit meiner langfristigen Bleibe hatte ich dann aber unglaubliches Glück, da ich in einer Art Wohngemeinschaft in einem großen Haus mit Garten (und sogar kleinem Pool) einziehen konnte. Gefunden hatte ich dieses über das DiscoverRwanda Hostel, ein Social Enterprise Projekt der britischen Stiftung Aegis, die sich mit Genozidaufarbeitung beschäftigt. Mit drei Aegis-Mitarbeitern aus England und Amerika, sowie einem Kommilitonen aus Freiburg, der wie ich für einen Forschungsaufenthalt in Ruanda war, hatte ich das Glück, die restliche Zeit zusammenzuleben.


Mit den vier in Ruanda gesprochenen Sprachen (Kinyarwanda, Englisch, Französisch und Kiswahili) kam ich im Großen und Ganzen sehr gut zurecht, da man immer mit einer der anderen aushelfen konnte wenn einem gerade ein Wort gefehlt hat. Dass ich neben gutem Englisch und Grundkenntnissen in Französisch außerdem Grundlagen von Kiswahili spreche, hat mir die Kommunikation deutlich erleichtert.


Am besten gefallen an der Arbeit in der RNRA hat mir der sehr freundliche und hilfsbereite Umgang der Kollegen mit mir. Diese Kontakte haben sich auch schnell zu privaten Freundschaften ausgeweitet. So war ich mit Kollegen abends feiern, zum Essen eingeladen, mit im Gottesdienst, auf Familienfesten eingeladen oder zum gemeinsamen Linzertorte backen (das Gastgeschenk aus Deutschland kam so gut an, dass die Sekretärin unseres Büros darauf bestanden hat beigebracht zu bekommen wie man Linzertorte backt). Mit zu den schönsten Momenten hat die traditionelle Namensgebungsfeier für die drei Wochen alte Tochter eines Kollegen gehört, der sichtlich gerührt war, dass deutsche Gäste mit dabei sind. Um das Kind zu begrüßen haben wir auf Deutsch "Wie schön, dass du geboren bist“ für den Zwerg angestimmt.


Natürlich blieb an den Wochenenden, aber auch nach dem offiziellen Ende der Arbeitsphase noch ausreichend Zeit die verschiedenen Ecken des kleinen Landes zu entdecken: Im Norden die an den Kongo grenzenden Vulkane und der Kivusee im ostafrikanischen Grabenbruch, im Osten der große Akagera-Nationalpark, im Süd-Westen der Njungwe-Nationalpark, und vieles mehr. So habe ich auf dem knapp 4000 Meter hohen Bisoke mit dem Phänomen der Höhenkrankheit Bekanntschaft gemacht, und mehrfach Todesängste ausgestanden in den berüchtigten Überlandbussen, die mit 150 km/h die Ruandischen Serpentinen hoch und runter heizen. Auch im Kivusee zu schwimmen, in dem "hin und wieder“ Krokodile an den Ufern gesichtet werden, war Nervenkitzel pur. All das vor der fantastischen Kulisse rauchender Vulkane auf der anderen Uferseite, die schon zur Demokratischen Republik Kongo gehört.

Obwohl Ruanda heute als einigermaßen stabile Demokratie gilt (allerdings mit fragwürdiger Behandlung der Opposition und unklaren Verstrickungen im Krisenland Kongo), habe ich doch mit einem etwas mulmigem Gefühl die Parlamentswahlen vor Ort mitverfolgt, die unter anderem begleitet waren von zwei Handgranatenanschlägen auf öffentlichen Plätzen der Stadt. Solche Erfahrungen machen einem den Kontrast zum in der Regel durchweg gefahrlosen Deutschland noch einmal bewusster.


Für mich war der Aufenthalt in Ruanda in vielerlei Hinsicht sehr wertvoll. Nach all der Theorie in der Universität habe ich unglaublich viel Praktisches zum Thema Wasser gelernt, und einen hervorragenden Einblick in verschiedene Arbeitsbereiche bekommen. Ich weiß, dass ich eher nicht für eine internationale Ingenieur- oder Beratungsfirma in einem Entwicklungsland wie Ruanda arbeiten möchte, da die Arbeitsbedingungen und der Druck katastrophal sind. Viel eher kann ich mir vorstellen zeitlich begrenzt zum Beispiel für die GIZ oder eine Länderregierung zu arbeiten. Für meine Bachelorarbeit konnte ich wertvolle Daten sammeln und da ich mir ein eigenes Bild von der Situation machen konnte, kann ich jetzt abschätzen, weshalb die ruandische Regierung so an diesem Thema interessiert ist. Neben einem wunderbaren Land, das ich mit Sicherheit nicht das letzte Mal bereist haben werde, habe ich auch zahlreiche neue Freunde kennen gelernt, mein Französisch und Kiswahili aufgefrischt und vielleicht sogar den ein oder anderen beruflichen Kontakt geknüpft.


Einen Forschungsaufenthalt in Ruanda, aber auch ganz generell einen Forschungsaufenthalt im Ausland, empfehle ich wärmstens jedem, der sich das vorstellen kann. Neben dem akademischen Nutzen ist es auch gleichzeitig eine wahnsinnig gute Möglichkeit, eine Kultur tiefer kennenzulernen durch den täglichen Kontakt mit Kollegen. Außerdem eröffnet es weitere Perspektiven, wohin man mit seinem Fachbereich auch noch kommen kann und zeigt einem welche Qualitäten die Forschung an der eigenen Universität und dem eigenen Land im Vergleich zu dem Gastland eigentlich hat.

Ich würde den Aufenthalt wieder genauso machen und auch empfehlen, nicht jedes Detail im Vorhinein haarklein zu planen. Bei mir haben sich viele Entwicklungen tatsächlich erst vor Ort ergeben, die ich im Nachhinein nicht missen möchte.